Tyler Cross, Band 2 (Carlsen)

Januar 3, 2017

Schief gelaufen. Und zwar gehörig. Eigentlich musste Tyler Cross noch keinen neuen Job annehmen. Aber die Verlockung des einfachen Geldes, gepaart mit Neugierde und Nervenkitzel und vielleicht auch weil es einfach in seiner Natur liegt, siegten über die Vernunft. Jetzt, da der vermeintlich sichere Coup – ein als Diebstahl getarnter Versicherungsbetrug – in die Hosen ging, findet sich Tyler im Knast wieder. In den Angola State Farms in Louisana, kurz Angola genannt. 20 Jahre bekam er aufgebrummt und es scheint, als würde er nicht mal eine Woche schaffen. Denn Angola ist übel, veraltet und korrupt. Mit eigenen Gesetzen und Hierarchien. Ganz oben – neben Captain Kroeker, dem skrupellosen Leiter – stehen die Sizilianer in Person des Bosses Carmine Scarfo, der mit Tyler noch ein tödliches Hühnchen zu rupfen hat. Anfangs noch in der Defensive, schaltet Tyler bald voll auf Angriff, wobei er hart einstecken und sich voll auf seinen Überlebensinstinkt verlassen muss.

Das ist die Zusammenfassung des ersten Kapitels (von dreien), das bekannte Motive zeigt. Der Held kommt in einen unbarmherzigen Knast – im Gegensatz zu Blueberry in Francisville oder Andy Dufresne in Shawshank aber alles andere als unschuldig – und muss sich dort allerlei Unbill erwehren. Allianzen werden geschmiedet, korrupte Wachen geschmiert und das Recht des Stärkeren durchgesetzt. Tylers Offensivtaktik scheint sich zu bewähren, er überlebt und gewinnt an Respekt. Und denkt an Ausbruch – was seit 24 Jahren niemandem erfolgreich gelang. In Kapitel 2 dann ändert die Story die Perspektive. Neue Figuren tauchen auf und vermeintliche Nebenpersonen geraten in den Fokus. Aber zuerst erfahren wir, wozu Angola eigentlich dient und wer dort das Sagen hat. Dann sehen wir, was aus Iris Bowman wurde, der Fahrerin des Fluchtwagens bei dem missglückten Coup. Wir lernen die Geschichte von Billy Frachette kennen, der sich mit Tyler anfreundet und der zu dessen Verbündeten wird. Während Kapitel 1 die Story um Tyler aus dessen Perspektive behutsam aufbaut, eskaliert die dann in die Breite gezogene und komplexer werdende Handlung nach und nach, wobei alleine Tyler stets den Überblick zu haben scheint.

Wie in Band 1 ist Tyler Cross der harte Hund par excellence, der keine Mine verzieht, der stoisch selbst in vermeintlich ausweglosen Situationen seine Chance wittert und diese geduldig wie eiskalt nutzt, ohne Rücksicht auf Verluste, seien sie menschlich oder materiell. Und über allem steht das Verlangen nach Rache. In Szene gesetzt wird der hardboiled Miet-Gangster wieder von Fabien Nury („Ein Sohn der Sonne“), der es einmal mehr versteht, die Story behutsam bis zum bitteren Ende (nicht für Tyler, das sei verraten) aufzubauen, so dass sich nach und nach der Fokus erweitert und dem Leser immer mehr faszinierende Details eröffnen. Ähnlich wie er das auch bei „Silas Corey“ praktiziert (Dt. bei Splitter). An den Stil des Zeichners Brüno („Atar Gull“) braucht man sich nach Genuss von Band 1 nicht mehr gewöhnen. Sein reduzierter, klarer, überzeichneter Strich, der viel Schwarz einsetzt und sich farblich bedeckt hält, passt bestens zur nüchtern erzählten Handlung, die mit Gewalt nicht spart, in der jeder Beteiligte bis zum Schluss seine Rolle spielt, seien es die Guten – sofern man hier überhaupt davon reden kann – oder die Bösen, die eindeutig in der Mehrheit sind. Mit „Angola“ sind nun beide bei Dargaud erschienen Bände erhältlich. Hoffen wir, dass Nury und Brüno bald nachlegen. (bw)

Tyler Cross, Band 2: Angola
Text: Fabien Nury
Bilder: Brüno
96 Seiten in Farbe, Softcover
Carlsen Verlag
14,99 Euro

ISBN: 978-3-551-71229-5

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