Der Waffenmeister (Splitter)

August 2, 2016

Der Waffenmeister (Splitter)

Frankreich 1531. Der Waffenmeister des Königs Franz I., Hans Stalhoffer, duelliert sich mit seinem Herausforderer Graf de Maleztraza. Der Kampf endet mit einem Patt. Beide werden dabei schwer verletzt, Hans erleidet einen Stich durch den Hals an der Kehle, überlebt aber. Sein Amt gibt er ab. Er zieht sich zurück, verlässt den Hof des Königs und lässt einen vor Wut schnaubenden Maleztraza zurück, der ihr Duell unbedingt beenden will. Vier Jahre später. Unruhige Zeiten. Die Hugenotten kommen auf – frühe Protestanten, den Herrschenden ein massiver Dorn im Auge. Hans verdingt sich inzwischen in der bergigen Gegend nahe der Schweizer Grenze als „Meinungsverstärker“ für reiche Kleriker und Kaufleute, die Schulden eintreiben wollen. Ein dreckiges Geschäft. Da sucht ihn Gauvin de Brème auf, sein ehemaliger Arzt und gleichzeitig Leibarzt des Königs. Gauvin ist nun ein Hugenotte, der mit seinem Begleiter, dem jungen Casper, das Manuskript einer ins Französische übersetzten Bibel in Genf für das Volk drucken lassen will. Gauvin wird gesucht und verfolgt, das Vorhaben, über den winterlichen Gabriels-Pass in die Schweiz zu gelangen, ist äußerst riskant.

Nach anfänglichem Zögern hilft Hans den beiden. Und schon bald stoßen sie unterwegs auf eine Horde streng gläubiger, engstirniger Katholiken, die voller Hass die Hugenotten für das Ausbrennen ihrer Kirche verantwortlich machen und die unter der Führung von Thimoléon de Vedres die Gegend beherrschen. Vom Regen in die Traufe. Und dann taucht auch noch Hans‘ alter Feind Maleztraza mit seinen Leuten auf der Bildfläche auf, der von der Sorbonne mit der Festnahme von Gauvin betraut wurde. Denn Maleztraza ahnte, dass der Arzt seinen ehemaligen, untergetauchten Patienten aufsuchen und um Hilfe bitten würde. Jetzt stehen Hans, Gauvin und Casper buchstäblich mit dem Rücken zur (Fels)Wand: vor sich das kaum zu bezwingende, winterliche Gebirge, hinter sich die fanatischen Verteidiger des katholischen Glaubens, die ihren Kopf und das übersetzte Manuskript wollen. Und die mit der wilden Entschlossenheit des ehemaligen Waffenmeisters Hans, einer wahren Mordmaschine, nicht gerechnet haben. Bis auf Maleztraza, der den Zeitpunkt seiner persönlichen Rache immer näher kommen sieht…

Duell im Regen: Hans gegen Maleztraza

Duell im Regen: Hans gegen Maleztraza

Der Band liest sich wie ein hervorragender, moderner Mantel- und Degen Abenteuerfilm, mit dessen Versatzstücken er erfolgreich arbeitet. Da haben wir zuerst den gefallenen Helden, den Waffenmeister Hans, eine Kampfsau vor dem Herrn. Der ausgerechnet mit einer neuen Waffe, dem Rapier (eine Art Degen, der bei dem „einfachen Volk“ beliebt werden sollte und das herkömmliche Schwert – die Waffe der Ritter – ablöste), beinahe besiegt wird und der sein Amt aufgibt, als sein König eben jene Klinge in Duellen vorschreibt. Hans geht ins freiwillige wie unwürdige Exil und wird schließlich „reaktiviert“, als sein alter Freund ihn um Hilfe bittet, obwohl er – zumindest anfangs – nicht an dessen Sache glaubt. Dann die Hetzjagd durch die wilde, schroffe Natur. Das Trio wird verfolgt und muss sich immer wieder seinen Häschern stellen, was stets blutige Ausmaße annimmt. Aber Hans ist unverwüstlich, bis er schließlich im Finale seinem alten Feind gegenüber steht, der die lange offene Rechnung begleichen will. Dazwischen gibt es Konflikte innerhalb der Verfolger, die immer weiter dezimiert werden. Doch auch bei Hans und seinen Begleitern gibt es Verluste und Rückschläge.

Der historische Hintergrund bietet den Nährboden der Handlung. Ausgehend von Deutschland gewinnt die noch junge protestantische Bewegung an Boden, obwohl man sie sogleich vehement bekämpft und unterdrückt – was mehr als ein Jahrhundert voller vernichtender Kriege nach sich ziehen wird. Ein Neues Testament, das von jedermann gelesen und verstanden werden kann? Undenkbar. Und doch nimmt Hans die neue Zeit an (so wie er auch später die neue Waffe sich zu eigen machen wird), wobei Autor Xavier Dorison (Undertaker, Ulysses 1781Red Skin, Asgard, alle bei Splitter) die Beweggründe der Verfolgten in klugen, ausführlichen Dialogen glaubwürdig rüberbringt. Enttäuscht von sich (wegen der Fast-Niederlage im Duell) und seinem König, der als halbwegs humanistisch gilt und später Leonardo da Vinci nach Frankreich holen wird, zieht sich Hans zurück, nur um dann umso vehementer wieder auf der Bildfläche zu erscheinen. Joël Parnottes Zeichenstil zeigt hier mehr realistische Kanten als noch bei „Das Geschlecht derer von Porphyre“ (bei Salleck). Die Hintergründe, die nebelige Berg- und Waldlandschaft mit ihren etlichen kurzen Strichen, erinnert an Hermann, als dieser noch mit dem Rapidograph arbeitete. Die Naturkulisse ist beeindruckend. Regen, Schnee und Kälte beherrschen die Landschaft, gegen die die Menschen ankämpfen, egal, ob Verfolger oder Verfolgte. So entsteht eine atmosphärisch unwahrscheinlich dichte Geschichte, die kraftvoll inszeniert ist, die vor blutrünstiger Action nicht Halt macht und die von der ersten bis zur letzten Seite volle Punktzahl einfährt. (bw)

Der Waffenmeister
Text: Xavier Dorison
Bilder: Joël Parnotte
96 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
19,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-307-3

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