Frankreich im Ersten Weltkrieg: wieder einmal gewinnt Freiherr Manfred von Richthofen mit scheinbar traumwandlerischer Sicherheit einen Luftkampf. Einer von vielen, denn von Richthofen, den man später verklärend und respektvoll ‚Der Rote Baron‘ nennen wird, sollte zum erfolgreichsten Jagdflieger des Krieges werden. Rückblick, zehn Jahre zuvor: der junge Manfred besucht die Militärakademie in Berlin-Lichterfelde, erhält eine preußisch militärische Ausbildung. Fast zufällig entdeckt der sportbegeisterte Junge ein verborgenes Talent. In Gefahrensituationen kann er die Aktionen und Bewegungen seiner Gegner vorausahnen und so präventiv handeln. Zuerst beeindruckt er damit seine ihm feindlich gesinnten Mitschüler, dann macht er in einem Armenviertel die Probe aufs Exempel und tötet im Alleingang mühelos seine Angreifer. Sprung: wir sind im Jahre 1915. Manfred von Richthofen ist in Ostende stationiert. Da er keine Lust auf Grabenkämpfe hat (Stichwort Verdun), sich aber als Soldat bewähren will, lässt er sich zu den Fliegern versetzen. Dennoch schiebt er eine ruhige Kugel als Beobachter an Bord der Maschine seines Freundes Georg. Flugbewegungen gibt es kaum. Bis man eines Tages bei einem Aufklärungsflug eine feindliche Maschine entdeckt und ein erster Luftkampf entbrennt…
Bei der Charakterisierung und Entwicklung der Person des Manfred von Richthofens bedient sich Autor Pierre Veys (Baker Street, Boule & Bill) eines durchaus ungewöhnlichen Kniffes: er verpasst ihm eine Art Spinnensinn, den der junge Manfred in der Kadettenanstalt entdeckt. Und der wohl auch zur Erklärung seiner erfolgreichen Jagdflieger-Karriere dienen wird. Ob der Mythos des Roten Barons hier gepflegt oder entzaubert wird ist nach dem ersten Band noch unklar. Fest steht: er handelt gewissenlos – die mörderische Episode, als er erstmals wie ein frischgebackener Superheld seine ‚Kräfte‘ bewusst einsetzt und dabei vor Mord nicht zurückschreckt, ist durchaus verstörend. Auch die euphorische Genugtuung, die er zu Beginn nach dem erfolgreichen Kampf als bereits etablierter Jagdflieger empfindet, schlägt in dieselbe Kerbe. Inwiefern die viel beschworene Ritterlichkeit, die unter den Jagdfliegern gepflegt wurde – auch unter den verfeindeten, später eine Rolle spielt, wird sich zeigen. Ebenso, ob eine kritische thematische Auseinandersetzung kommt – die Mehrheit der Deutschen und Franzosen war damals durchaus kriegsbegeistert und die durchschnittliche Lebenserwartung eines Jagdfliegers gering.
Äußerst aufsehenerregend sind die Bilder des Spaniers Carlos Puerta, die eher Gemälden als handelsüblichen Comiczeichnungen ähneln. Mal erinnern sie an klassische Meister des Impressionismus, dann wieder – vor allem bei Panels mit Städten und Gebäuden – an alte, kolorierte Postkarten. Allen gemeinsam ist der erstaunliche Realismus, bunt und opulent – die Ansichten des alten Berlins oder der fulminante Luftkampf über dem Fluss mitten in der französischen Stadt sind schwer beeindruckend. Auch in der lebendig dynamischen Darstellung von Personen, Gesichtern und Mimiken gibt sich Puerta, von dem bisher bei Kult zwei Alben erschienen sind, keine Blöße. Dazu kommt eine akribisch genaue Recherche über die damalige Zeit, beginnend natürlich bei den Flugzeugen, aber auch Häuser und Gebäude wirken zeitgenössisch echt und real. Auch kleine Episoden, wie die Soldaten am Boden, die auf alle Flugzeuge schießen, weil sie keine Ahnung haben, welche von den neuartigen Kriegsgeräten nun Freund oder Feind sind, zeugen davon. Band 2 ist in Vorbereitung – in Frankreich sind bisher drei Bände der Reihe erschienen. (bw)
Der Rote Baron, Band 1: Tanz der Maschinengewehre
Text: Pierre Veys
Bilder: Carlos Puerta
48 Seiten in Farbe, Hardcover
Panini Comics
13,99 Euro
ISBN: 978-3-95798-692-4