Love in Vain (Egmont)

Dezember 18, 2015

Love in Vain (Egmont Graphic Novel)

Teufelsmusik. Mit dieser netten Bezeichnung durfte sich alles, was nicht dem amerikanischen (oder auch europäischen) Establishment entsprang, lange (und teilweise bis heute) herumschlagen. Natürlich nicht zuletzt der Blues, Jazz und Rock’n’Roll, diese schon immer aufmüpfigen, rebellischen Auswüchse, die von den ehemaligen Sklavenarbeitern aus ihren Arbeitsliedern hin zu einer subversiven Form des Widerstands entwickelt wurden, die in den Juke Joints zum Vortrag kam, also den Kaschemmen, die die Herrschenden nur hinter vorgehaltener Hand besuchten. Teilweise kultivierten die frühen Stars diesen Mythos selbst – ein Pakt mit dem Teufel, natürlich geschlossen an einer verlassenen Wegkreuzung, habe ihnen ihr magisches Spiel verliehen.

Und genau das tat auch eine der größten Legenden des Blues, dem später (mittlerweile zutiefst bürgerlich akzeptierte) Größen wie Eric Clapton oder Keith Richards in Stil und auch Darbietungen seiner Songs huldigten – Robert Johnson. In seinem kurzen Leben (er verließ diese Welt im zarten Alter von 27 Jahren) zündete Johnson die sprichwörtliche Kerze von beiden Enden an: um dem Heer der namenlosen Baumwollpflücker in seinem Geburtsort Hazlehurst in Mississippi zu entkommen, wo er von einer Pflegefamilie in die nächste geschoben wird, interessiert er sich schon früh für die aufregend neue Musik und eignet sich durchaus virtuos das Mundharmonika-Spiel an. Als er 1929 eigentlich den aufrechten Weg gehen möchte, heiratet und eine Familie gründet, sterben Frau und Kind 1930, was sein Schicksal endgültig besiegelt.

Allzu früh will er auch auf der Gitarre überzeugen, wird von den Bühnen der finsteren Bars gebuht und geht auf Wanderschaft. 1932 kehrt er zurück und hat von Ike Zimmermann eine innovative, kunstvolle Spielweise erlernt, die zusammen mit seinen anzüglichen Texten in Spelunken und auf der Straße für Begeisterung sorgt und seinen Ruf zementiert, nur der Leibhaftige selbst könne solche Kunst verleihen. Erfolg hat er auch nicht zuletzt bei der holden Weiblichkeit, der er mindestens genau ausschweifend und jede Rücksicht auf Moral frönt wie dem Alkohol. Mit der in einem Hotelzimmer entstandenen Plattenaufnahme „Terraplane Blues“ gelingt ihm 1936 zudem noch ein veritabler Hit. Johnson tingelt durch ganz Amerika, gefeiert für seine magischen Melodien, immer mehr zerrüttet von Alkohol und Syphilis, bis ihn ein misslauniger Ehemann vergiftet und er 1938 stirbt.

Die Stones in Altamont

Die Stones in Altamont

In ihrer Graphic Novel schlagen Mezzo und Jean-Michel Dupont in die genretypische biographische Kerbe, die auch schon Reinhard Kleist mit „Cash“ bediente. Johnson, einer der schillerndsten Figuren der Musikgeschichte, liefert hierzu auch reichlich Material, als geradezu urtypisches Beispiel des Vollblut-Rockers, der sein Leben drei Mal schneller lebt als alle anderen, für kurze Zeit gleißend leuchtet und dann verglüht. Dazu kommt noch die fast schon epische Verehrung, die Kollegen folgender Generationen dem „King of the Delta Blues“ angedeihen ließen, von den genannten Herrschaften Clapton, Stones und Cream (die Johnsons Songs ins Repertoire aufnahmen, gerne auch mal ohne den Urheber zu nennen) bis hin zu modernen Hard Rock Kombos wie die englischen Thunder, die eine ihrer Scheiben „Robert Johnson’s Tombstone“ benannten (auf meine Frage, wer denn das gewesen sei, meinten die Herren nur lapidar – einer der coolsten, heftigsten Typen aller Zeiten, „a hellraiser“).

Inszeniert wird das Geschehen in atmosphärischen schwarz/weiß-Zeichnungen, die oft an Radierungen oder Kohlestift-Abrisse erinnern – das ungewöhnliche Querformat wirkt dabei wie ein Songbook, das passenderweise mit einem Anhang aus Liedtexten mit deutscher Übersetzung ergänzt wird. Johnsons angeblicher Pakt mit dem Leibhaftigen durchzieht das gesamte Werk, das von einem Kommentar eines niemals explizit genannten Erzählers begleitet wird. Jeder auch nur halbwegs aufmerksame Leser dürfte aus den süffisanten Anspielungen und vor allem den abschließenden Bemerkungen allerdings relativ schnell eindeutig schließen können, mit wem wir es da zu tun haben: da erleben wir nämlich das verhängnisvolle Konzert der Stones in Altamont 1969, kurz bevor die Hell’s Angels drastisch ins Geschehen eingreifen, und der Erzähler führt aus, er wolle sich jetzt kurz vorstellen – er sei schon immer da gewesen, und seinen Name habe man doch bestimmt schon lange erraten… (hb)

Love in Vain – Robert Johnson 1911-1938
Text: Jean-Michel Dupont
Bilder: Mezzo
72 Seiten in schwarz-weiß, Hardcover, Querformat
Egmont Graphic Novel
22,99 Euro

ISBN: 978-3-7704-5526-3

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