Red Skin, Band 1 (Splitter)

Dezember 3, 2015

Red Skin, Band 1 (Splitter)

Ende der Siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Ost und West stehen sich im Kalten Krieg gegenüber. Hier der kapitalistisch verdorbene Erzfeind, dort das kommunistische von Apparatschiks beherrschte Regime. Genosse Breschnew ist an der Macht und im Westen treten gerade der Walkman und Star Wars ihren Siegeszug an. In den USA grassiert ein seltsames Phänomen: ein Vigilant namens Zimmermann (ja, Name ist eingedeutscht) verfolgt und tötet Kommunisten und Homosexuelle. Seine radikalen Ansichten bekommen schnell Zulauf von Rassisten und religiösen Fanatikern, allen voran die Pastorin Jackie Core, die zudem für den Gouverneursposten Kaliforniens kandidiert. Eine neofaschistische Bewegung namens ‚Jünger des Zimmermanns‘ entsteht, deren Taten von der Polizei geflissentlich ‚übersehen‘ werden. Ausgerechnet in der fernen Sowjetunion wird diese Entwicklung beim Klassenfeind kritisch verfolgt. Denn sollte Jackie Core an die Macht kommen, könnte deren Einfluss den Erfolg der SALT-Verhandlungen torpedieren (für die jüngeren Leser: das waren Abrüstungsgespräche). Offen kann man natürlich nicht intervenieren, weshalb man sich entschließt, eine andere Option zu ziehen.

Die heißt Vera Jelnikoff, ist die einsame Elite unter den russischen Elitesoldaten und dazu noch – ja, man muss es so sagen – eine Sexbombe. Eine Waffe mit Waffen. Egal – auf jeden Fall beschließt Breschnew höchstpersönlich, dass Vera als Superheldin, quasi als Gegenpart des Zimmermanns, die USA infiltrieren soll. Ziel ist es, durch ihre Taten eine Gegenbewegung zu schaffen, die nach und nach die der Extremisten erstickt und sich so auf höchster politischer Ebene positiv auswirkt. So kommt Vera, die vom Kapitalismus null Ahnung hat, in die USA und wird dort mit Hilfe ihres Kontaktmanns Ruslan Buschko zur Superheldin Red Skin, die die Jünger des Zimmermanns Mores lehrt, wo es nur geht und bei der Art von Körperertüchtigung sichtlich Spaß hat. Warum sie auf oberstes Geheiß ausgerechnet beim misanthropischen Pornoproduzenten Lew Garner unterkommen muss, ist noch unklar. Ihr selbst scheint das nichts auszumachen. Durch ihre Red Skin-Taten wird sie schnell bekannt, die Merchandise-Maschinerie kommt ebenfalls in Bewegung. Bis es zur ersten direkten Konfrontation mit dem Zimmermann kommt…

Macht immer eine gute Figur: Vera Jelnikoff

Macht immer eine gute Figur: Vera Jelnikoff

Nach seinem Zweiteiler ‚Träume‘ (mit Autor Denis-Pierre Filippi, ebenfalls bei Splitter erschienen) zieht es den US-Zeichenstar Terry Dodson, der seine Superheldinnen sonst für DC und Marvel ins attraktive Licht rückt, erneut in franko-belgische Gefilde. Und was zeichnet er? Richtig – eine attraktive Superheldin. Mit einem anderen, erfrischenden Ansatz, den Starautor Xavier Dorison (Asgard, W.E.S.T., Heiligtum, Undertaker usw.) gekonnt präsentiert, indem er einige gängige Klischees einfach umdreht. Da ist zum einen unsere Heldin, Vera, die als Alabama Jane aus Dakota in die USA einreist. Die beste Soldatin der Russen, zeitlebens im Training, selbstbewusst, stark und flink. Die sich das nimmt, was sie will. Auch Männer. Im persönlichen Auftrag des Generalsekretärs von Mütterchen Rußland unterwegs. Eine Art weiblich-russischer Captain America, nur ohne Supersoldaten-Serum, dafür aber mit den Waffen der Frau bestens ausgestattet. Dass ausgerechnet eine Russin in den USA die freie, gleichgeschlechtliche Liebe verteidigt, entbehrt dabei nicht einer gewissen Ironie.

Zum anderen weiß der ironisch, humoristisch-naive Unterton generell zu punkten: Vera erfährt, dass man im kapitalistischen Wunderland Fernseher nicht reparieren lässt, sondern bei Defekten wegwirft (das bereits in den 70ern!). Ihr neues Kostüm, das sonst bei Superheldinnen als unkommentierte zweite Haut dient und unterschwellig Sexualität transportiert, wird von ihr selbst als viel zu eng bezeichnet, und beim Pornodreh fragt Vera was die ‚Schauspieler‘ denn bezahlen mussten, um mitwirken zu dürfen. Als Waffen, mit denen sie der Jack Black-Verschnitt Ruslan versorgen soll, wählt sie für ihr Superheldendasein ausgerechnet und wenig subtil Hammer und Sichel. Die Tatsache, dass schon bald über Spielzeuge und T-Shirts von Red Skin verhandelt wird, nimmt den kommunistisch-diktatorischen Personenkult gelungen auf die Schippe. Veras Gesinnung mag zwar russisch patriotisch sein, ihr Auftreten ist dafür typisch unbekümmert amerikanisch und herrlich naiv.

Da der Inhalt des Bandes nicht so nackig ist, wie es das Cover verspricht (das Geschehen im damals noch im Kino vertretenen Porno-Business bringt zwar eine schlüpfrige Komponente ein, die aber nur im Kopf des Lesers stattfindet) und aufgrund seiner Superhelden-Thematik, ist die Reihe auch kompatibel mit den US-Markt und erscheint dort bei Image Comics. Ein frischer, gelungener Auftakt, der unbekümmerten Lesespaß bietet. Da ist es auch zweitrangig, dass das Motiv für die Einschleusung Veras in die USA etwas diffus ist. Die fetzige Handlung, die pointierten Dialoge und v.a. Terry Dodsons Zeichnungen machen das mehr als wett. Hoffen wir nur, dass es bis zum nächsten Band nicht so lange dauert und dass Dodson zwischen all seinen US-Verpflichtungen bald wieder Zeit für ‚seine‘ Russin findet. (bw)

Red Skin, Band 1: Welcome to America
Text: Xavier Dorison
Bilder: Terry Dodson
64 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
14,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-206-9

 

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