Outcast, Band 1 (Cross Cult)

April 28, 2015

Outcast, Band 1 (Cross Cult)

Robert Kirkman hat’s eigentlich nicht mehr nötig. Seine ‚Walking Dead‘ sind als Comic international der Renner (bereits 22 Bände bei Cross Cult) und die TV-Serienadaption beschert weltweit traumhafte Einschaltquoten. Er schuf mit ‚Invincible‘ (leider nur 2 Bände bei Nona Arte) ein eigenes Superhelden-Universum und kreuzte mit ‚Marvel Zombies‘ (zuletzt in der Offiziellen Marvel-Comic-Sammlung) erfolgreich Untote und Superhelden. Daneben versorgt er mit ‚Super Dinosaur‘ (ebenfalls bei Cross Cult) auch die jüngere Comic-Generation und ist auch sonst sehr umtriebig (Geheimtip: ‚Dieb der Diebe‘ bei Panini). Dass er sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruht, sondern fleißig weiter schreibt und Neues ausprobiert, ist ihm also hoch anzurechnen. Mit ‚Outcast‘ wagt er sich wieder in Horror- Gefilde, dieses mal ganz ohne Untote.

Schauplatz der Handlung ist ein Städtchen in der amerikanischen Provinz, irgendwo in Virginia. Dort lebt Kyle Barnes, sozial offenbar inkompatibel, er und sein Häuschen gleichermaßen verlottert. Kyle hat eine dunkle und verstörende Vergangenheit, sein Leben verlief nicht gerade in geordneten Bahnen. Das Verhältnis zu seiner Schwester Megan ist angespannt. Aufgrund ebendieser Vergangenheit wird Kyle von Reverend Anderson um Hilfe gebeten. Ein Junge ist besessen. Von einem Dämon? Dem Teufel? Was es auch immer ist – Kyle scheint bereits Erfahrungen mit dem Phänomen zu haben, war seine Mutter doch ebenfalls ‚befallen‘. Nach einigem Zögern gehen die beiden die Sache an. Mit Blut und Mühe gelingt der Exorzismus, doch der Dämon in dem Jungen scheint Kyle zu kennen. Und dessen (Ex-)Frau, die offenbar ebenfalls besessen war. Kyles Austreibung spricht sich herum. Und weitere Besessene tauchen auf. Ein Polizist kontaktiert ihn. In dessen Partner könnte ebenfalls ein Dämon hausen, der sich hartnäckiger erweist als gedacht. Und was hat es mit dem Fremden auf sich, der Kyles Nähe sucht und mehr über ihn und die Besessenen zu wissen scheint?

Mit ‚Outcast‘ zieht der Horror in die amerikanische Kleinstadt ein, wie es beispielsweise auch bei Terry Moores ‚Rachel Rising‘ der Fall ist. Nur kommt das Böse hier nicht auf leisen Sohlen, es ist bereits da oder kriecht (bisher) anonym mitten aus ihr hervor. Völlig normale Menschen, junge, alte, verändern plötzlich ihr Wesen, werden aggressiv, böse. Andere erscheinen völlig normal, sind aber bei genauerem Hinsehen offenbar schon länger ‚befallen‘. Warum ist noch unklar. Was es ist, ebenfalls. Denn Kirkman hat es nicht eilig. Er lässt sich Zeit für die Entwicklung von Story und Charakteren, ähnlich wie man es auch von ‚The Walking Dead‘ kennt. So begegnen wir nicht nur dem noch namenlosen Horror, sondern auch vielen gescheiterten oder zumindest angeschlagenen Existenzen: Kyle hat dunkle Stellen in seiner Vergangenheit, nicht nur die Besessenheit seiner Mutter betreffend. Reverend Anderson praktiziert Exorzismus und bessert seine Kirchenkasse mit Gewinnen aus extensiven Pokerrunden auf. Kyles Schwager ist ein prügelnder Polizist, dessen Familie in Geldnot. So entfaltet sich die Handlung mit Bedacht, gibt häppchenweise Details preis, wobei viele Fragen noch ungeklärt bleiben, was geschickt die Spannung wie die Neugierde beim Leser steigert. Am Ende des Bandes wissen wir zwar schon einiges über Kyle und dessen Fähigkeiten, aber eben noch lange nicht alles. Warum die Exorzismen in der Kleinstadt? Woher beherrscht der Reverend sein Handwerk? Wieso häufen sich die Fälle? Und vor allem: wer oder was ist Kyle wirklich? Was bedeutet die Titel gebende Bezeichnung Outcast, mit der er wiederholt von den Besessenen bezeichnet wird?

Auch zeichnerisch verbreitet der Band eine wunderbar morbide Grundstimmung, die durch den satten Tusche-Einsatz und die dunklen Farbtöne noch betont wird. Immer wieder verwendet Azaceta kleine Bilder als Inserts in den Panels, die Details zeigen und die die Handlung oder die Leser-Perspektive intensivieren. Auch das trägt zur ‚Gesamtdichte‘ des Bandes bei. Also: kein neuer Aufguss mit Untoten. Und keine platte Exorzismus-Story als x-fache Variation des bekannten filmischen Vorbilds. Vielmehr präsentierte sich ‚Outcast‘ ganz Kirkman-typisch wieder erfreulich vielschichtig und weit angelegt und macht jetzt schon Lust auf mehr. (bw)

Outcast, Band 1: Im Reich der Finsternis
Text: Robert Kirkman
Bilder: Paul Azaceta
160 Seiten in Farbe, Hardcover
Cross Cult
22 Euro

ISBN: 978-3-86425-667-1

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