Cyann – Tochter der Sterne, Band 6 (Splitter)

April 19, 2015

Cyann - Tochter der Sterne, Band 6 (Splitter)

Nachdem Cyann ihren Heimatplaneten Olh für immer verließ, treibt sie die Gier nach Rache einmal mehr nach Marcade, wo sie den Mörder ihrer Schwester Azuree richten will. Dort trifft sie erneut auf Optech, der gleich eine faustdicke Überraschung hinsichtlich seiner Identität für sie parat hält. Nach dieser Begegnung erreicht sie mit Hilfe des Raumschiffes der Zwischenzeit ihr Ziel, den Planeten Aladalarann, Heimatwelt von Ilui, ihres verstorbenen Liebhabers aus Band 2. Sie wird dort freundlich aufgenommen, lernt die für sie (und uns Leser) fremden Sitten und Gebräuche kennen und verliebt sich in Stuila, von dem sie bald ein Kind erwartet. Dann folgt eine erneute und letzte Begegnung mit dem Ve und dem Wekan, zwei mächtigen Wesen, und sie erfährt, dass sie ihre Geschicke (und die ihres ungeborenen Kindes) nicht selbst lenkte und dass sie gegen den Lauf der Zeit, der vom Großen Orbis gesteuert wird, keine Chance hat. Oder etwa doch?

Bourgeon und Lacroix schaffen mit ‚Cyann – Tochter der Sterne‘ ein riesiges, doch in sich geschlossenes und schlüssiges SF-Universum. Wurde in den ersten beiden Bänden Cyanns Heimatplanet Olh (mit einem Punkt im O) samt Gesellschaftsaufbau und eigener Religion geschildert, und anschließend die gefährliche Rettungsmission nach ilO (wieder mit einem Punkt im O), erzählen die Folgebände von Cyanns Reisen zu den verschiedensten Planeten, ohne die stets Alben übergreifende Gesamtstory aus den Augen zu verlieren. Die ist durchaus komplex und will als Ganzes verstanden werden. Immer wieder tauchen lange vergangene Handlungselemente aus vorherigen Alben auf. Das können Personen, Dinge, oder Orte sein. So wird beispielsweise der Mörder Eni Bolgome erwähnt, der dann später kurz auftaucht und hier im letzten Band einen größeren Part hat. Oder das Musik-Instrument, das Cyann in Band 2 von Ilui bekam, das sie dann verlor und woanders wieder fand. Auch dieses spielt jetzt eine wichtige Rolle.

Dazu kommt noch der Faktor Zeit: mit ihren Planeten-Sprüngen, die durch die Pforten des Orbis ermöglicht werden, reist sie nicht nur von Welt zu Welt, sondern auch in der Zeit. Und dass sie selbige durcheinander bringt, bleibt dem allmächtigen Großen Orbis (dessen Wesen stets nebulös bleibt, wie auch die Verweise auf das Imperium und den Blauen Planeten) nicht verborgen. Der möchte die Ordnung in der Zeit wieder herstellen, ohne Rücksicht auf Cyanns Schicksal. Zusammengefasst: trotz der ganzen Handlungs- und Zeitverknotungen kriegen die Autoren die Kurve und präsentieren ein erstaunliches Ende. Leider entfällt im Band 6 erstmals das Bonusmaterial in Form von Skizzen und Erläuterungen. Was daran liegen mag, dass man sich nach dem Ende des französischen Stammhauses 12BIS einen neuen Verlag suchen musste.

Band 1 erschien bereits 1994 im Carlsen Verlag, gefolgt von drei weiteren Alben. Splitter begann 2012 mit der Neuveröffentlichung und der Fortsetzung mit Band 5. Mit ‘Die sanfte Dämmerung von Aladalarann‘ ist die ambitionierte SF-Reihe nun nach 21 Jahren beendet. Dass sich Bourgeon seinerzeit nach seinen Historien-Reihen ‚Reisende im Wind‘, womit er ab 1979 Comicgeschichte schrieb und ‚Die Gefährten der Dämmerung‘ (Band 3 gehört zu den besten Comicalben, die je geschaffen wurden) der Science Fiction zuwandte, erstaunt mich noch immer. Aber auch hier arbeitete Bourgeon mit seiner üblichen Akribie, ersetzte Historien-Recherche durch blühende, bunte Fantasie und fertigte wieder Modelle an. Raumschiffe ersetzten Windjammer und futuristische Paläste Burgen und Stadtmauern. Er feilte stets an Details und schuf so ein völlig neues, komplett ausgearbeitetes Universum, das einen immer wieder erstaunte. Und: mit der adligen Cyann stellte er einmal mehr eine starke, selbstbewusste, wie unkonventionelle Frau in den Mittelpunkt. Ob der scheue Künstler, der Signierstunden stets meidet (einige seiner beeindruckenden Originalseiten wurden 2004 während des Comic-Salons in Erlangen ausgestellt), mit seinen bald 70 Jahren sich noch einmal an ein neues Projekt wagt? Hoffen wir es.

Am besten liest man das letzte Album im Verbund mit den Vorgängern. Also alle Bände am Stück. Das dauert. Und ist ein Genuss. Und so werden Querverweise und Komplexität der Handlung (hinsichtlich Orte, Personen, Dinge, Zeit) erst richtig deutlich, intensiv und verständlich. Und man merkt, was Autor und Zeichner da für ein monumentales Ding rausgehauen haben. (bw)

Cyann – Tochter der Sterne, Band 6: Die sanfte Dämmerung von Aladalarann
Text: Claude Lacroix
Bilder: François Bourgeon
64 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
15,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-027-0

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