Anno 1520: Langsam gleitet das kleine Boot durch den undurchdringlichen Urwald den Fluß hinab. An Bord nur ein Passagier: Hernando del Royo. Wie Aguirre auf seinem Floß ist er umgeben von Toten, seinen ehemaligen Gefährten. Stumme Zeugen eines Dramas. Ja, ein stimmungsvoller, bedrohlicher Auftakt, inklusive Sturz vom Wasserfall. Wer Mission von Roland Joffe gesehen hat, weiß, was gemeint ist. So beginnt ‚Conquistador‘, nach ‚Kreuzzug‘ (ebenfalls bei Splitter) die neue Serie des Teams Dufaux-Xavier und wie beim Vorgänger werden auch hier Historie und Fantastik miteinander verwoben.
Die Geschichte wird rückblickend erzählt: Royo ist ein wagemutiger Soldat unter dem berühmten Hernando Cortés, der ja bekanntlich das Aztekenreich unterwarf und dessen Hauptstadt Tenochtitlan eroberte, auf der später Mexiko-Stadt erbaut wurde. Die Handlung hier spielt aber davor. Die Konquistadoren in der Stadt sind Gäste des Herrschers Montezuma und werden als Götterboten angesehen. Noch. Montezuma präsentiert Cortes seinen gigantischen Schatz. Klar, dass dessen Gier geweckt wird. Klar, dass er den Schatz haben will, oder zumindest das, was man davon tragen kann. So wählt Cortés seinen Soldaten Royo als Teil einer kleinen Spezialeinheit aus, bestehend aus Halunken, Halsabschneidern und inklusive Priester. Die Führung der Truppe überträgt Cortés Hauptmann Catalina Guerero. Eine skrupellose Schönheit, die ihren kriegerischen Namen natürlich nicht ohne Grund trägt.
Ziel des Beutezugs ist v.a. das Herzstück des Schatzes: Das Amulett, das Txlaka, dem Gott, der den Schatz hütet, gehört. Txlaka, der reisende Geist. Klingt gar nicht gut. Aber weiter: Auf geheimem Weg und durch Verrat gelangt die Truppe in den Schatzsaal tief im pyramidenartigen Palast Montezumas. Doch Oczu, Hohepriester, Vertrauter des Herrschers und das Mißtrauen in Person gegenüber den fremden Spaniern, stellt ebendiesen eine Falle und erwartet die Schatzräuber bereits. Aber den Spaniern gelingt es, Oczu und dessen Männer zu überrumpeln, und samt Schatz, inklusive Amulett und seltsamen Kreuz macht man sich schleunigst vom Acker.
Natürlich lassen Montezuma und Oczu die Schmach nicht auf sich sitzen. Rache steht an. Sie senden die Otomis-Killer aus, die Schatzräuber zu finden und – noch viel schlimmer – sie entfesseln auch den Zorn von Txlaka, bzw. den Gott/Dämon himself, weshalb wir ab Band 2 wohl eine stärkere Fantasy-Komponente erwarten dürfen.
Eine Schwäche von ‚Kreuzzug‘ war die mitunter undurchsichtige Handlung, in der die Fantasy-Elemente doch eher für Verwirrung sorgten. Das große Plus der Reihe waren die Zeichnungen, v.a. an die mehrseitigen Panoramen erinnert man sich gerne. Hier nun halten sich Qualität von Story und Zeichnungen die Waage. Was den Band ganz klar aufwertet. Die unheilschwangere Story ist strukturiert, wenn auch nicht ganz ohne Klischees (was die kleine Truppe um Royo und Guerero betrifft) und lässt noch einiges erwarten. Xavier und sein Kolorist Jean-Jacques Chagnaud leisten ausgezeichnete Arbeit. Schon das Cover beeindruckt mit seinen (freilich übertriebenen) Rüstungsdetails. Bilder und Farben sind stets düster angelegt. Das Unbekannte, das Dämonische in einer bedrohlichen, fremden Welt. Keine Spur von farbenfrohem Dschungel. So ist beispielsweise die Darstellung des nächtlichen Sturms, durch den sich die Soldaten im Urwald quälen, meisterhaft gelungen. Beispielhaft für das ganze Album. Band 2 folgt im September. (bw)
Conquistador, Band 1
Text: Jean Dufaux
Bilder: Philippe Xavier
64 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
14,80 Euro
ISBN: 978-3-86869-606-6