Nada (Splitter)

Oktober 24, 2019
Nada (Splitter Verlag)

Paris im Winter, irgendwann zu Beginn der Siebziger Jahre. Sechs linksgerichtete Ganoven planen einen Coup: die Entführung des US-Botschafters Poindexter. Die Truppe setzt sich aus völlig unterschiedlichen Charakteren zusammen, die nur die politische Gesinnung eint: Benoit D’Arcy, ein Alkoholiker; Marcel Treuffais, ein Lehrer; der Kellner Nathan Meyer; Buenaventura Diaz, Katalane und ein Anarchist; André Épaulard, der „Spezialist“, Ex-Partisan und Ältester der Bande. Dazu kommt noch die attraktive Véronique Cash, die aussieht wie die junge Charlotte Rampling und die sich selbst als Hure bezeichnet, wobei deren Motive nicht ganz klar sind. Kurz vor der geplanten Tat bekommt Treuffais kalte Füße und steigt aus.

In einem diskreten Edelbordell, das der Botschafter regelmäßig besucht, schlägt man zu. Die Entführung gelingt. Nur haben die Ganoven, die sich die Gruppe NADA nennen, zwei Dinge nicht bedacht: der Botschafter wird von CIA-Agenten bewacht, die schnell Verdacht schöpfen, was zu einer wilden Schießerei mit zwei Toten führt. Und der Französische Geheimdienst filmt heimlich den Eingang des Etablissements, um so kompromittierendes Material gegen die prominenten „Kunden“ zu sammeln. So wird der Überfall gefilmt, was den beauftragten Chef-Ermittler, Kommissar Goémond, schnell auf die Fährte der Kidnapper führt…

„Nada“ ist die Adaption eines Romans des französischen Krimiautors Jean-Patrick Manchette (1942-1995), der 1972 entstand und bereits zwei Jahre später von Claude Chabrol verfilmt wurde. Schon zu Lebzeiten schrieb Manchette auch Comics, so entstand „Griffu“ (dt. „Der Schnüffler“) gemeinsam mit Jacques Tardi, der nach Manchettes Tod weitere Romane des Schriftstellers adaptierte (u.a. „Killer stellen sich nicht vor“, 1980 mit Alain Delon in der Hauptrolle ebenfalls verfilmt). Der Band ist auch nicht die erste Zusammenarbeit von Zeichner Max Cabanes („Erotic Souvenirs: Herzklopfen“) und „Adapteur“ Doug Headline (das ist übrigens Tristan Jean Manchette, der Sohn des Autors). Bereits „Fatale“ und „Blutprinzessin“, vor einigen Jahren bei Schreiber & Leser erschienen, sind Comic-Umsetzungen von Manchette-Krimis.

Hier in diesem mächtigen Band (immerhin 192 Seiten im Großformat) nehmen sich Cabanes und Headline viel Zeit für die Story und gehen dabei minutiös und akribisch vor. Zuerst versuchen D’Arcy und Diaz den desillusionierten Épaulard für ihre Sache zu gewinnen, was nach einigem Zureden auch gelingt. Épaulard, im Krieg bei der Résistance und später eine Art Söldner, wird zum Chefplaner. Über ihn erfährt man am meisten. Andere, wie D’Arcy oder Meyer bleiben eher blass in der Charakteristik. Man „besorgt“ sich Waffen von der Polizei und inspiziert den Unterschlupf, ein abgelegenes Gehöft auf dem Land. Dort wartet bereits die undurchsichtige und verführerische Véronique Cash (ein perfekter Name für ein Bond-Girl), zu der sich Épaulard sofort hingezogen fühlt. Das verschneite Gehöft ist dann auch Schauplatz des furiosen wie blutigen Showdowns. Denn die Polizei unter Führung Goémonds ist nicht unbedingt darauf aus, Gefangene zu machen.

Das Paris Manchettes und Cabanes‘ ist dreckig, schmuddelig, düster. Auch die Cafés und Bars verheißen keine Lichtblicke. Tristesse ist Trumpf. Alles ist in bräunlichen, rostigen oder blassen Farben gehalten, nur selten wird es bunter. Skizzenhaft inszeniert, aber dann doch mit genügend Realismus versehen, um auch optisch zu gefallen. Als Kontrast geht beinahe das verschneite platte Land durch, das im Finale aber gehörig mit Blut getränkt wird. Manchette legt sein Werk als Noir-Story an. Die Gangster sind politisch motiviert. Man schickt ein Manifest an die Zeitungsredaktionen und fordert natürlich auch Lösegeld. Wie ernst das gemeint ist, sei dahingestellt. Sechs kaputte Existenzen tun sich dabei zusammen, das kann eigentlich nicht gut ausgehen. Aber auch auf Seiten der Polizei gibt es Kompetenzstreitigkeiten. Interne Dienste konkurrieren miteinander, man traut sich nicht.

Kommissar Goémond, vom Minister direkt instruiert, stößt bald auf den abtrünnigen Treuffais und geht bei dessen „Verhör“ mit erschreckender Brutalität vor. Er ahnt, dass er zum Sündenbock gemacht wird, als er indirekt aufgefordert wird, keine Gefangenen zu machen, hat zum Schluss aber noch ein Ass im Ärmel. Und dann, ganz am Ende, gibt es Noir-typisch keine Gewinner. Niemand hat etwas erreicht, alle werden zu Verlierern. Die Gangster scheitern mit ihrem letztendlich schlampig ausgeführten Coup, die Polizei in Person Goémonds, der zum Hassobjekt wird, gerät ins Kreuzfeuer der demonstrierenden Linken – Stichwort Polizeibrutalität. Von den Plänen und Idealen auf beiden Seiten bleibt nichts übrig. Nada eben. (bw)

Nada
Text: Doug Headline, nach Jean-Patrick Manchette
Bilder: Max Cabanes
192 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
35 Euro

ISBN: 978-3-96219-296-9

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